3SERIE TONSTUDIOS
oder m etallisch tim b rierten Streichern.
Im G egenzug findet m a n jed o ch auch
keine ab ru n d en d e W ärm e oder andere
Effekte, die das K langbild au f „analog“
zü c h te n sollen. Selbst in R im skij-K or-
sakow s sch w elg erisch er T o n d ic h tu n g
„Scheherazade“, die K oschnicke wie die
m eisten sein er O rch estereinspielungen
m it d en D u isb u rg er P h ilh arm o n ik ern
in der dortigen M ercatorhalle anfertigte
und die bislang nu r auf Vinyl erschien, ist
Realism us in K langfarben, D ynam ik und
R aum abbildung T rum pf. U n d w er sich
m al so richtig den Boden unter den Füßen
wegziehen lassen m öchte, der lausche ein-
fach der A cousence-C D , -LP oder H och-
bitausgabe von Schostakowitschs Sinfonie
N r.15, die beinahe beängstigend dreidi-
m ensional u n d „echt“ ‘rüberkom m t.
D ort hatte K lang-G uru Alfred R udolph
vom Duisburger Audio Forum seine kom -
p etenten Finger m it im Spiel. D er w urde
auf den klangversessenen Tonm eister auf-
m erksam u n d beriet ihn etw a h in sich t-
lich der klanglichen A bstim m ung beim
doch ein gewaltiger Klangkörper wie dieser
regt das akustische Eigenleben des Baus
natürlich ungleich stärker an.
Am Ende fügen sich insgesamt elf Mikros
optisch dezent ins Bühnenbild ein, denn das
Publikum soll später die Musiker statt der
Technik wahrnehmen. Den Kern bildet ein
sogenannter „Decca-tree" aus drei Röhren-
mikrofonen des Typs Microtech Gefell UM75
in Dreiecksanordnung, der mitten unter den
Streichern steht, um so deren Zeichnung zu
begünstigen, während die lauteren Bläser
auf Abstand gehalten werden, und der das
klangliche Grundgerüst bildet.
Für den breiten Chor, der für Cesar Francks
Werk „Die sieben Worte Jesu am Kreuz"
antritt, spendiert Koschnicke drei Mikrofone
für Links, Mitte, Rechts. Zwei weitere Mikros
sind vor den Solisten aufgebaut, die rechts
vorne stehen und meist einzeln singen. Ein
weiteres fängt den Schall der Harfe auf, die
diese „Stütze" benötigt, weil sie als relativ
leises Instrument sonst leicht unterginge.
Fehlen noch zwei Mikrofone. Die schwe-
ben fast vier Meter oberhalb von Orchester
und Chor und nehmen deren Schall, aber
K am m erm usik von H aydn u n d B artok
m it dem Belenus Q u artett setzte er neu n
M ikrofone ein. Bei A rbeiten m it O rches-
te rn w ie ew a d en D u isb u rg ern sin d es
in der Regel 15 bis 20. „D as Ziel ist die
B alance aus Ü b ersich t u n d R aum atem
au f der einen u n d D etailfinesse au f der
anderen Seite“, b rin g t K oschnicke seinen
A nsatz au f den P unkt. „In vielen Fällen
w ürde das m it n u r zwei M ikrofonen ein-
fach nicht funktionieren.“
A ber w ir h ab en do ch auch n u r zw ei
O h re n u n d b ek o m m en live irgendw ie
alles m it, oder? Das ist das Stichw ort für
K oschnicke, gibt es ihm doch die G ele-
genheit, den grundlegenden U nterschied
zw ischen ein em Live-A ct u n d dessen
F r a n c k & f r e i - A u f n a h m e i m D u c a t o
LP-Schnitt. R udolph schätzt die E xperi-
m en tierfreu d e u n d O ffenheit K oschni-
ckes, d er seine M ik ro fo n -A m p s selbst
entw ickelte, in V erb in d u n g m it dessen
großem technischen K now -how .
A u s d r ü c k e n , w a s g e w e s e n is t
D azu gesellt sich eine professionelle N üch-
ternheit, die dem Bild des G enussm en-
schen, der W eine von der N ahe liebt, zu
w idersprechen scheint. Ein feuriger Audio-
philer, der seine A rbeit m it lo d ern d em
E nthusiasm us v ertritt, ist der A cousen-
ce -C h ef n ich t. P raxis u n d E rfa h ru n g
gehen ihm allemal vor die verm eintlichen
„G esetze“ des H ighE nd-Z irkels.
So hegt er keinerlei Sym pathien für das
D ekret, nur reine Zwei-M ik-
rofon-A ufnahm en k ö nnten
eine natürliche D arbietung
erzielen. K oschnicke h ält
dies für H um bug. Selbst bei
d e r n ic h t n u r in STER EO
fü r h ö c h ste
K la n g q u a li-
tät gelobten A ufnahm e der
K
ommt doch am nächsten Sonntag in den
Mainzer Dom", lädt Ralf Koschnicke uns
ein, „dann nehme ich dort ein Passionskon-
zert auf!" Und ob wir nach den theoretischen
Ausführungen die praktische Seite erleben
wollen. Als wir am 26. April an der mächti-
gen, dreischiffigen, romanischen Basilika
eintreffen, die freilich auch gotische und
barocke Elemente zeigt, steht er bereits seit
Stunden mit seinem zum Tonstudio umge-
bauten Fiat Ducato (o.r.) am Seitenportal
und hat schon jede Menge Vorbereitungen
getroffen, also etwa die Kabel verlegt.
Von kurzen Signalwegen kann
dabei keine Rede sein: Die
Strecke zwischen dem selbst
entwickelten wie gebauten
24-kanaligen Verstärker (r.M.)
und den Mikrofonen beträgt
satte 70 Meter. „Kein Problem", beschwich-
tigt Koschnicke, „die Kabel sind wie die
gesamte Übertragungstechnik auf solche
Längen ausgelegt".
Beim Aufbau der Mikrofone sind w ir live
dabei. Deren Positionen wurden bereits
festgelegt. Die akustischen Verhältnisse
im Mainzer Dom kennt
Koschnicke, der hier
oft aufnimmt, aus dem
Effeff. Trotzdem macht
es
natürlich
einen
Unterschied, ob jemand
nur die Blockflöte spielt
oder ob, wie heute, das
volle Programm in Form
des
Domorchesters
samt großem Chor plus
Solisten (l.) aufgefahren
wird. Zwar bleibt die
Herausforderung stets
gleich - eine optimale
Balance zwischen der
halligen Domaura und
musikalischer
Ver-
ständlichkeit zu finden -,
22 STEREO 10/2014